"Der Wechsel vom hart verdienten Euro zur weichen Emotion" - Wie Gemeindearbeit und Firmensponsoring sich gegenseitig stärken können!
In der 'Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe’ verbinden sich Firmen und Kirchengemeinde zugunsten von christlichen Zielen, diakonischen Hilfestellungen und einer vitalen Gemeindeentwicklung. Gegenseitige Wert-Schätzung und ein klares Fundraisingkonzept stehen im Vordergrund.
Bei der 'Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe' verbindet sich in innovativer Weise Kirchengemeinde mit der Wirtschaftswelt. Nicht das 'Betteln' um Gelder steht im Vordergrund, sondern der Austausch von finanziellen und emotionalen Werten zugunsten aller Beteiligten. Darin hat dieses Projekt Wirkung auf die Entwicklung des Gemeindelebens, sowie auf die innere Einstellung der Gewerbetreibenden. Kirche, christliche Werte und Fragen des Glaubens spielen wieder eine größere Rolle.
Herbolzheim ist eine Kleinstadt an der A5 in der Nähe von Freiburg. Die Stadt ist durch ihre gute touristische Lage und durch viele Geschäfte und angesiedelte Firmen gekennzeichnet. Ursprünglich war der Ort fast ausschließlich katholisch. Durch viele Zuzüge sind jetzt aber ein Drittel Evangelisch (2000).
Die evangelische Kirchengemeinde Herbolzheim startete im Jahr 2004 einen Aufbruch nach längerer Vakanzzeit. Sie gab sich den Perspektivsatz:
"Unsere Kirchengemeinde ist ein offenes Zuhause. Aus Gottes Licht schafft unser Geben und Nehmen Verbindungen und Freude."
Mit diesem Leitbild verband die Gemeinde einige neue Projekte, besonders aber den völligen Neuaufbau der Kinder- und Jugendarbeit sowie die Modernisierung der Gemeinde. Für diese Schritte des Gemeindeaufbaus bedurfte es einer gesicherten zusätzlichen finanziellen Unterstützung. So wurde im Sommer 2004 ein großes Gemeindefest unter dem Motto "Startschuss in die Zukunft - Bewegende Gemeinde" gefeiert. Dort wurden die Ziele der Gemeinde präsentiert und gleichzeitig zur Unterstützung ein Sponsorenlauf mit Werbung für 50 Firmen durchgeführt. Die damals entstandenen Verbindungen zu den Gewerbetreibenden flossen schließlich 2005 in einen neu gegründeten Sponsorenring ein. Mit einem klaren Fundraisingkonzept als Grundlage entstand die 'Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe'.
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Drei Grundlagen sind für die 'Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe' als Vorraussetzungen zu schaffen.
Als erster Schritt muss für die Kirchengemeinde in einem gemeinsamen Prozess geklärt sein, welches Konzept und welche Ziele sie verfolgt und unterstützt haben will. Eine möglichste hohe Motiviation und Konkretion zugunsten dieser Ziele schaffen eine positive Einstellung und Transparenz für die Kontaktgespräche mit den Firmen.
Da es sich hier um Sponsoring handelt, braucht es als Vorarbeit konkret realisierbare Werbeangebote (z.B. Veröffentlichungen: Flyer, Aushänge, Feste...). Zusätzlich sind Verträge zu erstellen und mit den kirchlichen Rechnungsstellen abzuklären. Nicht zuletzt brauchen alle Mitarbeitenden ein Verständnis von Grundsätzen des Fundraisings, besonders ein partnerschaftliches Denken im Umgang mit den Unterstützern. Es wird nicht gebettelt, sondern gegenseitig Wert-Schätzung erwartet und sich gegeben.
Als zentraler wichtiger Schritt gilt es, im Vorfeld Personen für das eigene Anliegen zu finden, die ein sehr gutes Netzwerk zu den Firmen vor Ort haben. Manche dieser Personen können sogar für die Durchführung der Besuche mitgewonnen werden. Auf jeden Fall öffnen sie die Türen zu den Firmen vor Ort.
Und nicht zuletzt braucht es bei allem immer ein geschultes, freundliches und an den Leitlinien der Gemeinde orientiertes Auftreten und Handeln.
Für den Bereich des Sponsorings gilt: In Herbolzheim wurden den Gewerbetreibenden als Werbeplattform namentliche Aushänge im evangelischen Kindergarten und Gemeindehaus sowie bei Festen in Aussicht gestellt, genauso wie das Veröffentlichen der Mitglieder auf unserer Internetseite und einem extra gefertigten Flyer. Dieser wird mit einer Stückzahl von über 1000 bei den Unterstützern und der Gemeinde ausgelegt. Als Gegenleistung erhält die Kirchengemeinde je nach Umfang des Sponsorings 100 oder 150 Euro. Davon unabhängig können auch kleinere oder größere Summen gegeben werden, jedoch erfolgte bei Spenden keine explizite Erwähnung dieser Unterstützer, die sich im Kontext des Sponsorenrings bewegten.
Beim Bereich der Besuche gilt grundsätzlich, dass jeder Besuch am Besten durch Anruf oder durch eine Kontaktperson oder einen kurzen Vorbesuch angekündigt werden sollte. Wo es geht, ist eine Zeitvereinbarung sehr sinnvoll. Je höher der Bekanntheitsgrad der Personen und des Konzeptes ist, desto flexibler und schneller kann ein Besuch abgwickelt werden.
In der Regel bleiben an Gesprächszeit 10 bis 30 Minuten. Der Besuchende muss auf jeden Fall in der Lage sein, innerhalb von drei bis fünf Minuten alles Wesentliche sagen zu können. Nach der Schilderung der kirchengemeindlichen Ziele gilt es, das Konzept des Sponsorenrings klarzulegen und mit klaren Informationsblättern zu unterlegen. Danach erfolgt im positiven Fall ein Gespräch über Werte und Ziele wie auch über die persönlichen Situationen und Probleme der Firmen. Am Ende gilt es auf jeden Fall, eine gemeinsame Vereinbarung zu treffen, im besten Fall die Aufnahme in den Sponsorenring. Der Vertrag ist dabei immer auf ein Jahr ausgerichtet. Die alten und neuen Mitglieder werden jährlich auf den Werbeplattformen aktualisiert.
Kein Sponsoring ohne Berichte und Dank! Die 'Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe' zielt auf gegenseitige Wertschätzung und einen gelingenden, möglichst auf Dauer angelegten Tausch, 'vom hart verdienten Euro zur weichen Emotion'. So gehört der Dank für die Unterstützung z.B. durch eine Urkunde wie auch eine Berichterstattung über die Wirkung der gegebenen Gelder dazu. In Herbolzheim laden wir aus diesem Grund ins städtische Kulturhaus zum Empfang und Torhauskonzert ein. Dort gibt es neben einem inhaltlichen Kurzreferat und einem Bericht über die Sponsoringergebnisse v.a. die Möglichkeit, sich beim Empfang auszutauschen und Kontakte zu pflegen. Direkt im Anschluss an den Empfang geben die musikalischen Kreise der Kirchengemeinde ein Konzert, zu dem auch die Bevölkerung eingeladen wird.
Pro Firmenbesuch muss inklusive Vor- und Nachbereitung mit etwa 30 Minuten gerechnet werden. Hinzu kommen Schulungszeiten sowie die Vorbereitung für den Empfang.
Es braucht Verträge, Aushänge und die professionell gedruckten Flyer sowie Urkunden.
Hier gilt der Grundsatz Qualitität vor Quantität. 100 Gewerbetreibende können sehr gut von drei bis vier Besuchenden kontaktiert werden. Zudem braucht es mindestens eine Person, die die Finanzverwaltung übernimmt und eine Person, die die Werbeplattformen pflegt.
Zur Nachbereitung gehört die Dokumentation der Ergebnisse, die Aktualisierung auf den Werbeplattformen und die Umsetzung der Dankeskultur.
Wichtig ist auch die Auswertung der Gespräche für die Besuchenden. Was kann verbessert werden, wo sind die Türen geöffnet, bei wem sollte in Zukunft jemand anderes hingehen, wie und was präsentieren wir für die Zukunft?
Nicht zu unterschätzen sind zudem die Aufgaben rund um die Finanzverwaltung. Buchungen müssen getätigt und überprüft werden, Rechnungen erstellt, Erinnerungsschreiben gefertigt werden.
Die "Allianz für die Zukunft - Kirche, Wirtschaft und Gewerbe" besteht nun seit über vier Jahren. Im Schnitt gehören ihr 70 Mitglieder an, in der Regel kommen etwa 30 weitere Unternehmen hinzu, die auf Spendenbasis oder anonym die Gemeinde unterstützen wollen. Im Schnitt hat die Kirchengemeinde pro Jahr etwa 15.000 Euro über diesen Weg erhalten.
Viele Firmen sind zu festen Partnern geworden, einige informieren sich anhand des Ortsgeschehens über die Kirchengemeinde und lassen sich berichten. Nicht nur, dass die Kirchengemeinde im Bewusstsein der Firmen ist, es wurde auch erreicht, dass gezielt und bewusst das Profil und die Vorhaben der Gemeinde unterstützt werden. Viele der Geschäftsführer sind auf dem Weg, bewusst 'Mitarbeitende' der Gemeinde zu sein. Einigen ist Kirche wieder sehr nahe gekommen. Dies zeigt sich an der vermehrten Teilnahme an unseren Festen und Gottesdiensten.
Die Kirchengemeinde hat zudem immer wieder Unterstützung durch Sachgegenstände oder personelle Hilfen erhalten. Der Boden für ein Großprojekt wie dem Bau eines Gemeindezentrums und damit einer verstärkten Unterstützung durch die Gewerbetreibenden ist bereitet worden.
Die Kirchengemeinde selbst ist durch die Gelder in der Lage gewesen, ihre Modernisierung voran zu treiben. Der Aufbau der Kinder- und Jugendarbeit (z.B. Einrichtung eines Jugendkellers, Schulungsmaßnahmen, Materialien...) wurde komplett durch diese Mittel finanziert. Zudem gibt es für jedes Angebot der Gemeinde für finanziell schwächer gestellte Gemeindemitglieder einen Förderungspool. Die immer größer werdende Gemeindeentwicklung hat durch den Sponsorenpool einen wichtigen Motor erhalten. Durch das klare Profil und die geistlichen Anliegen ist es zudem nie zu einer negativen Einflussnahme durch Unternehmer gekommen.
Einige Geschäfte haben auf der Ebene des Sponsorings profitiert, z.T. durch erteilte Aufträge und z.T durch gezielten Einkauf einzelner Gemeindeglieder bei diesen Unterstützern. Für mindestens die Hälte der Unterstützer ist aber das Sponsoring als finanzielle Gewinnmaßnahme uninteressant. Sie möchten einfach den Ort und die sozialen Institutionen unterstützen. Darum ist bei den Gesprächen immer darauf zu achten, dass es hier weniger um einen 'finanziellen Deal' handelt, sondern wesentlich mehr um den bereits skizzierten Werte-Tausch.
Schwierigkeiten gibt es hinsichtlich genügender Mitarbeiter. Nur wenige bringen dafür die nötige Qualität der Gesprächsführung und der Kenntnis der Gemeinde sowie der Innenwelt von Firmen mit sich. Vor allem das Engagement über Jahre ist schwierig zu sichern. Darum bleibt noch vieles bei uns an Pfarrer Oliver Wehrstein hängen. Wir haben hier vor Ort die Aufgabe, in den nächsten Jahren diesen Sponsorenring auf eine breitere Basis zu stellen.
Damit hängt eng zusammen, dass wir die persönliche Beziehung nicht so stark pflegen konnten wie gewollt. Es gibt viel Gesprächsbedarf und beginnende geistliche Prozesse, die abzudecken wären. Aber hier reichen im Moment die Kräfte nicht. Es bietet sich darum an, je nach Zeitkapazität nicht immer alle Firmen zu kontaktieren, sondern das Netzwerk Stück für Stück aufzubauen. Aus unserer Sicht gelingt der Wertewechsel im Sinne von guter finanzieller Unterstützung sehr, aber die Gabe von 'weicher Emotion' für die Unterstützer könnte von unserer Seite noch verstärkt werden. Diese noch zu intensive Beziehungsarbeit führt auch dazu, dass unser Empfang von Seiten der Firmen eher schwach angenommen wird. Aber durch die gute Gemeindearbeit und starke Öffentlichkeitsarbeit sind uns bisher nur Unterstützer weggebrochen, wenn diese in einer wirtschaftlichen Krise steckten. Das gibt uns genügend Zeit, in den nächsten Jahren noch stärker auf der Beziehungsebene zu arbeiten.